Stellungnahme gegen die Änderung der Biosphärenreservatsverordnung thüringer Rhön


RHÖN. 

Der Verein Rhönforum e. V. hat jetzt eine Stellungnahme zu den geplanten Änderungen der Thüringer Verordnung über das Biosphärenreservat Rhön erarbeitet. Hier der Wortlaut: 

 

Stellungnahme des Rhönforum e.V. -

Verein für Regionalentwicklung und Tourismus Thüringer Rhön

zum Entwurf der Änderung der Thüringer Verordnung über das Biosphärenreservat Rhön

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

als Thüringer Partner für Regionalentwicklung und Tourismus in der Rhön vereint der Verein Rhönforum e.V. wichtige Partner der Region: Landkreise, Kommunen, Vereine, Unternehmen, Tourismuswirtschaft und regionale Akteure.

Unsere Region, seit Jahrhunderten bekannt als das „Land der offenen Fernen“ ist einzigartig!

3 Bundesländer teilen sich das vulkanisch entstandene Mittelgebirge Rhön: Bayern, Hessen, Thüringen. In seinem Kernbereich befindet sich das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Als Land der offenen Fernen bietet die Rhön wunderbare Fernsichten, abwechslungsreiche Landschaft und ist zugleich Heimat vieler vom Aussterben bedrohter Tier- und Vogelarten. Das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön wurde mit der Zielstellung gegründet, genau diese einzigartige Situation dauerhaft zu schützen.

 

Hier ist es noch möglich, unverbaute Landschaft und vom Aussterben bedrohte Vogelarten tagtäglich zu beobachten, das Kreisen der Rotmilane am Himmel, den stolzen Flug der Falken, das Gleiten der Schwarzstorche über den Flussauen, den Gesang seltener Vogelarten und den Flug der Fledermäuse beim Einsetzen der Dämmerung.

 

Der Rhönforum e.V. verfolgt den satzungsgemäßen Zweck einer fachübergreifenden Interessensvertretung für den Thüringer Teil der Rhön als gleichberechtigter Partner im Kontext einer länderübergreifenden nachhaltigen Gesamtentwicklung der Rhön sowie als Teilregion in Thüringen. Er unterstützt hierzu insbesondere auf der Grundlage der Vereinbarung über die Bildung der Regionalen Arbeitsgemeinschaft Rhön (ARGE-Rhön), des Länder übergreifenden Verwaltungsabkommens über die Einrichtung, Entwicklung und Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön zwischen den Ländern Bayern, Hessen und Thüringen sowie des Regionalen Entwicklungskonzeptes „Thüringer Rhön“ materiell und ideell Maßnahmen, die dem Schutz, der Erhaltung und der Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen, der regionalen Entwicklung, der Wirtschaftsentwicklung, der kulturellen Identität sowie der Zukunftssicherung im Bereich der Region Rhön dienen.

 

Zum Entwurf der Änderung / Novellierung der Thüringer Verordnung über das Biosphärenreservat Rhön (ThürBR-VO) nehmen wir wie folgt Stellung und erwarten, dass unsere Argumente einbezogen werden und entsprechende Anpassungen in der Neufassung / Novellierung der ThürBR-VO erfolgen.

 

Die Stellungnahme des Rhönforum e. V. ist unbenommen der einzelnen inhaltlichen und fachlichen Stellungnahmen unserer Mitglieder.

 

 

 1     Auslegungsprozess

 

Zu Beginn müssen wir mit Bedauern feststellen, dass sich erhebliche Zweifel an der Rechtskonformität des Auslegungsverfahrens ergeben. Insbesondere ist dieses nicht barrierefrei organisiert. Die Auslegung auf der Internetseite des Ministeriums entspricht nicht den notwendigen Standards. Weiterhin ist es nicht hinnehmbar, dass die Auslegung innerhalb der Gebietskulisse des Biosphärenreservates ausschließlich in der Verwaltungsstelle in der Propstei Zella erfolgte. Es wäre mindestens geboten, die Auslegung auch in den Gemeindeverwaltungen innerhalb des Biosphärenreservates anzubieten.

Aber auch inhaltlich sind die  vorgenommenen Änderungen nicht nachvollziehbar ausgewiesen. Eine Gegenüberstellung der Änderungen zwischen der bisherigen Verordnung und des neuen ausgelegten Verordnungsentwurfes existiert nicht.

Selbiges gilt auch für die kartographischen Darstellungen. Anders als in früheren Verfahren, wurde lediglich die neue Gebietskarte zur Verfügung gestellt. Sinnvoller und für die Teilnehmenden im Beteiligungsverfahren zugänglicher wäre gewesen, eine Karte vorzulegen, welche die veränderten Flächen farblich von Bestandsflächen abgrenzt.

Auch die besonders betroffenen Träger öffentlicher Belange wurden nicht ausreichend informiert. So wurde zum Beispiel die für die Bürgermeister des Wartburgkreises vorgesehene Informationsveranstaltung mehrfach verschoben und bis heute nicht durchgeführt.

Noch schwerwiegender ist jedoch die Tatsache, dass sowohl der Internetauftritt zur neuen Verordnung, als auch die Unterlagen zur „Vorstellung für die Bürgermeister:innen“ und ebenso die Erklärungen auf den Internetseiten des Ministeriums als auch der Biosphärenreservatsverwaltung suggerieren, die Überarbeitung der Verordnung erschöpfe sich in einer veränderten Zonierung und einigen Anpassungen bei den Verboten und Geboten innerhalb der Pflege – und der Kernzone.

Die viel weitreichendere Veränderung ist jedoch die Aufhebung des Verbotes von Windkraftanlagen. Hier liegt eine deutlich höhere Betroffenheit aller Bürger und Akteure vor. Auch für den Naturschutz, Landschaftsschutz und Artenschutz ist dies die deutlich weitreichendere Abweichung von der bisherigen Verordnung.

Gerade der Schutz des Landschaftsbildes des „Lands der offenen Ferne“ und der Artenschutz sind und waren die wesentlichen Begründungen bei der Ausweisung des Biosphärenreservates Rhön. Die teilweise erheblichen Einschnitte in das Eigentum von Bürgern und in die Entwicklung der Städte und Gemeinden in dieser Region finden ihre Begründung und Rechtfertigung in diesem Schutzziel.

Der Bau von industriellen Großanlagen / Windkraftanlagen im Biosphärenreservat Rhön würden gerade diese ursprünglichen Schutzziele ins Absurde führen und damit die weitere Berechtigung für anderweitige Einschränkungen aufheben. In der Konsequenz würde das Biosphärenreservat Rhön seine Daseinsberechtigung verlieren.

Das gerade diese so weitreichend Änderung weder in den Internetauftritten zur Auslegung, noch in den Auslegungsbeschreibungen oder den „Häufig gestellten Fragen“ auch nicht nur ansatzweise erwähnt wird, kann nur dahingehend gewertet werden, dass die notwendige Rechtskonformität des Auslegungsverfahrens / Beteiligungsverfahrens nicht gegeben ist.

Ziel eines Beteiligungsverfahrens ist es aber, zu allen Änderungen die Anregungen und Expertisen der Akteure vor Ort zu erfahren. Dazu ist vor allem Transparenz erforderlich. Dazu wäre auch die Veröffentlichung einer Gegenüberstellung der alten und neuen Richtlinie mit allen Änderungen notwendig gewesen. Potentiell kontroverse Themen, wie die Öffnung des Biosphärenreservats für Windkraftanlagen, hätten im Sinne der Transparenz des Verfahrens klar und deutlich dargestellt werden müssen.

Darüber hinaus ist insbesondere als kritisch zu bewerten, dass Eigentümer und/oder Nutzer von privaten oder gemeindlichen Flächen die künftig neu als Pflege- oder Kernzone eingestuft werden sollen, nicht persönlich über diese Änderung informiert und um Stellungnahme gebeten wurden. Das Gegenteil ist sogar der Fall, indem das Ministerium die Falschinformation verbreitete, dass ausschließlich Landesflächen und kommunale Flächen betroffen wären.

Eine Information an die betroffenen Eigentümer erfolgte nicht. Vielmehr ist jeder Landeigentümer oder Landnutzer nun selbst gehalten eine eventuelle Betroffenheit seiner Flächen zu prüfen. Dies ist nicht nur an Mangel an Bürgerbeteiligung, sondern es schürt bei den Betroffenen auch den Eindruck, man setze darauf, die Änderungen unbemerkt durchzusetzen. Mit einer rechtzeitigen und individuellen Information hätten Vorbehalte ausgeräumt und Ärger vermieden werden können.

Bereits im Nachgang der Gründung des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön gab es emotionale Spaltungen in der Region. Gerade im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzbereich wurden zu DDR-Zeiten Bürger enteignet. Mit der Zonierung dieser Flächen (Kernzonen und Pflegezonen) kam das für die  Bürger fast einer erneuten Enteignung gleich. Umso wichtiger ist eine entsprechende Kommunikation!

 

Aus diesem Grund ist es wichtig, den Eigentümern von Grundstücken, die neu zoniert werden sollen, diesen Umstand per Schreiben zur Kenntnis zu bringen und eine zusätzliche Frist für eine Stellungnahme einzuräumen. Wir widersprechen ausdrücklich der Argumentation des Ministeriums, dass es aus logistischen Gründen nicht möglich sei, mehrere tausend Eigentümer schriftlich zu informieren. Dass es der öffentlichen Verwaltung möglich ist, sogar zig Millionen Bürger schriftlich zu informieren wurde gerade aktuell mit den Anschreiben zur Grundsteuer, dem Zensus oder auch den persönlichen „Coronabriefen“ der Thüringer Sozialministerin bewiesen.

 

Die Wiederholung des Beteiligungsverfahrens unter Einhaltung der notwendigen Standards und Transparenz gegenüber den Bürgern erscheint angemessen!

 

Im Besonderen gilt dies für die nicht kommunizierte, aber weitreichendste Änderung, der Aufhebung des Verbotes von Windkraftanlagen. Sollte  Seitens des Ministeriums an der Aufhebung des Windkraftverbotes festgehalten werden, fordern wir die Wiederholung des Beteiligungsverfahrens!

 

 

 2     Begrifflichkeiten in der Schutzerklärung in § 1 – Schutzgut „Land der offenen Fernen“

 

Die Bezeichnung der Rhön als „Land der offenen Fernen“ ist mehr als ein Werbeslogan. Er ist Zustandsbeschreibung und Auftrag zugleich. Er ist einer der zentralen Begriffe, die überhaupt erst zur Ausweisung und Rechtfertigung des Biosphärenreservats Rhön geführt haben. Das dieser Begriff und dieses wesentliche Schutzgut in dem Entwurf der neuen Verordnung, im Gegensatz zur aktuell gültigen Verordnung, überhaupt nicht mehr auftaucht weckt die schlimme Vermutung, dass die Redakteure der neuen Verordnung das „Land der offenen Ferne“ gegen einen Windpark ersetzen wollen. Die hinter diesem Begriff „Land der offenen Ferne“ liegende Idee, findet sich nur noch verklausuliert in den Beschreibungen des § 2 Abs. 1 Sätze 4-8 wieder. Der Begriff bezieht sich auf eine Charaktereigenschaft der Landschaft, die im Kern der Besonderheit und des Schutzgedankens steht. Ausgehend von diesen Überlegungen, fordern wir, dass die Beschreibung „Land der offenen Fernen“ bereits in § 1 und in § 2 Abs. 1 explizit und als zentrales Schutzgut erwähnt wird.

 

 

 3     Widersprüchlichkeiten innerhalb des Verordnungsentwurfes

 

 3.1           Widerspruch zu Schutzzwecken – Landschaftsbild

 

Die Öffnung der Entwicklungszone für WKA steht den Schutzzielen der Vorordnung diametral entgegen. So heißt es in § 2 Abs. 5 die Entwicklungszone diene „dem Erhalt des besonderen Gebietscharakters der Landschaft“. Moderne und leistungsstarke WKA weisen Achsenhöhen von 140 bis 170 Metern und einschließlich der Rotorblätter Gesamthöhen von über 200 bis 250 Metern auf. Ein jüngst vorgestellter neuer Typ WKA verfügt einschließlich Rotorblatt über eine Gesamthöhe von 268 Metern. Bereits ein einzelnes Bauwerk von solcher Größe ist unweigerlich mit einem Eingriff in den, laut Verordnung geschützten, Gebietscharakter der Landschaft verbunden, von ganzen Parks solcher Anlagen ganz zu schweigen.

Zu den definierenden Charakterzügen der Rhön als „Land der offenen Fernen“ gehört die, auch gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 der Verordnung zu schützende, Eigenart der offeneren Berg- und Hanglagen und waldfreien Plateaus. Auch § 2 Abs. 1 Sätze 7 und 8 verweisen auf den hohen Offenlandanteil und das attraktive Landschaftsbild mit weiträumigen Sichtbeziehungen. Eine Bebauung gerade jener Lagen mit Industrieanlagen – und als solche ist ein 250 Meter hohes Bauwerk zur Energieerzeugung mit erheblicher Flächenversiegelung im Bereich der Fundamente, Sicherungsabständen, Leitungstrassen und Zuwegungen zu klassifizieren – steht in eklatantem Widerspruch zum Charakter der Landschaft und zum Schutzzweck der Verordnung, da dies einen massiven Eingriff in den Naturraum und die Landschaft darstellen würde. Insbesondere würden die in § 2 Abs. 1 genannten Sichtbeziehungen nachhaltig gestört. Gerade die offenen Flächen, die letztlich Standort eben jener Anlagen wären, sind prägend und identitätsstiftend für die Kulturlandschaft. Auf deren besonderen Schutzbedarf weist auch § 2 Abs. 4 Nr. 3 explizit hin. Die Charakteristik der Rhön als das „Land der offenen Fernen“ würde durch die Errichtung von Windkraftanlagen verloren gehen.

 

 

 3.2           Widerspruch zu Schutzzwecken – Artenschutz

 

Als weiterer Aspekt im Bereich des Naturschutzes ist der Artenschutz zwingend zu berücksichtigen. Die Schutzzwecke sind durch § 2 Abs. 4 Nr. 6 zeigt i.v.m. Abs. 8 insb. Nummern 3 und 4 klar definiert und auch durch eine Vielzahl von innerhalb des Biosphärenreservats zusätzlich geschützten Bereichen  wie zum Beispiel Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete, und Landschaftsschutzgebiete dokumentiert. Nicht umsonst beginnt die Seite „Ziele im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön“ auf dem Internetauftritt des Biosphärenreservates mit einem Bild unter der Bezeichnung „Der Rotmilan – schutzwürdiger Charaktervogel der Rhön“. In der Rhön noch vorkommende, aber vom Aussterben bedrohte Vogelarten, wie Rotmilan, Schwarzmilan, Uhu, Schwarzstorch, Wanderfalke, Wachtelkönig, Eisvogel, Heidelerche, Goldregenpfeifer, Grauspecht, Schwarzspecht, Dohle, und Schleiereule die auch im Bundesnaturschutzgesetz explizit Beachtung finden, und auch die besonders geschützten Fledermausarten Großes Mausohr, Mopsfledermaus und Bechsteinfledermaus werden durch die Errichtung von WKA in Ihrem Bestand gefährdet. Aber auch für hier nicht heimische Vogelarten wie zum Beispiel den Kranichen hat das Biosphärenreservat existentielle Bedeutung, da es einer der letzten von Windkraftanlagen unverbauten Landschaften auf ihrem Zug darstellt und als Ruhe- und Übernachtungsplatz zwingend benötigt wird.

Die Öffnung des Gebiets für den Bau von WKA würde die bisherigen Schutzbemühungen, die sich unter anderem auch in der Ausgabe von Mitteln der Länder, des Bundes und der EU für den Erhalt der im Reservat vorkommenden Mopsfledermaus oder dem länderübergreifenden Rotmilanprojekt zeigen, konterkarieren und eine ernstzunehmende Bedrohung der Bestände mit sich bringen. Zudem droht eine Demotivation der Akteure in lokalen Schutzinitiativen, die ihre langjährige Arbeit entwertet sehen müssten.

Bereits in der Anhörung zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes hatte Jörg Andreas Krüger für den NABU Bundesverband erklärt, dass die beabsichtigte Regelung keine Lösung für den Zielkonflikt zwischen Artenschutz und Windenergie liefere, sondern nur den Artenschutz schlechter stelle. Er äußerte in der Anhörung erhebliche Zweifel, dass der Windkraftausbau dadurch schneller werde, er werde aber jedenfalls nicht naturverträglicher. Zweifel an einer Beschleunigung des Windkraftausbaus durch das Zurückstellen des Artenschutzes wurden in der Anhörung auch durch Dr. Franziska Heß, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bestätigt. Letzterer postulierte mit Blick auf behördliche Genehmigungsverfahren: „Wir haben kein Problem des Artenschutzrechts, sondern ein Governance-Problem“.

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass eine Reduzierung der artenschutzrechtlichen Standards, z.B. durch einen Wechsel vom Individuen- auf den Populationsschutz, für Deutschland als Einheit, nicht unmittelbar auf das Biosphärenreservat übertragbar sein kann. Eine solche Angleichung würde die besondere und herausgehobene Verantwortung verkennen, die diese Gebiete für den Erhalt von Artenvielfalt und Biodiversität haben. Der Kampf gegen den Klimawandel, der immer auch ein Kampf gegen das Artensterben ist, kann nicht dadurch gewonnen werden, dass den zu schützenden Arten auch noch die letzten Rückzugsräume genommen werden.

 

 

 4     Widerspruch zu den Zielen des Biosphärenreservates

 

Tourismus und Erholung werden durch die Verordnung explizit als Ziele des Biosphärenreservates ausgewiesen. Auch der Regionalplan Südwestthüringen weist die Thüringische Rhön als Vorbehaltsgebiet Tourismus und Erholung aus und definiert Vorranggebiete Freiraumsicherung welche eine „besondere freiraum- bzw. naturbezogene Erholungseignung, insbesondere durch ein intaktes Landschaftsbild, aufweisen. Durch die Installation von WKA in diesen und den direkt angrenzenden Räumen, würde das intakte Landschaftsbild maßgeblich gestört und damit die naturbezogene Erholungseignung entfallen.

Damit ist festzustellen, dass die Absicht der Öffnung für die Errichtung von WKA nicht mit den Zielen des § 2 Abs. 2 Nummern 2 und 3 i.v.m. Abs. 3 Nummern 2, 4 und 7 vereinbar ist und mit einer deutlichen Reduzierung des touristischen Wertes verbunden wäre.

 

 

 5     Widersprüche zum LEP und Regionalplan Südwestthüringen

 

Im Regionalplan Südwestthüringen ist der Bereich des Biosphärenreservats als Vorbehaltsgebiet „Tourismus und Erholung“ sowie als Vorbehaltsgebiet „Freiraumsicherung“ mit „besondere freiraum- bzw. naturbezogene Erholungseignung (insbesondere durch ein intaktes Landschaftsbild) ausgewiesen (weitere Begründungen im Regionalplan Südwestthüringen  unter G 4-27 und G 4-29).

 

Außerdem befinden innerhalb der Gebietskulisse eine Vielzahl besonders sensibler Vorranggebiete „Freiraumsicherung“. In der Begründung zu Z 4-1 im Regionalplan wird festgestellt:

„Die ausgewiesenen Vorranggebiete Freiraumsicherung besitzen eine herausragende Eignung bzw. Bedeutung für die ökologische Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Region. Sie sichern besonders schutzwürdige und schutzbedürftige Naturraumpotenziale und sind Kernbereiche vorhandener oder zu schaffender regionaler und überregionaler ökologischer Verbundsysteme, insbesondere unter Berücksichtigung großer störungsarmer Lebensraumkomplexe und der Natura-2000-Gebietskulisse.

Die Vorranggebiete bilden die räumliche Grundlage für einen dauerhaft funktionsfähigen Naturhaushalt und die nachhaltige Nutzungsfähigkeit der natürlichen Ressourcen. Der resultierende multifunktionale Charakter der Gebiete ergibt sich insbesondere aus den überörtlichen, regionalen bzw. landesweit bedeutsamen ökologischen Funktionen einschließlich besonderer kulturbedingter Ausprägungen (die Kulturlandschaft bestimmende Merkmale G 4-2) und geht insofern deutlich über die singuläre Schutzfunktion von einzelfachlichen Schutzgebieten hinaus.“

 

Seitens der Regionalen Planungsgemeinschaft Südwestthüringen wurde in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich kommuniziert, dass die Errichtung von Windenergieanlagen diesen raumordnerischen Funktionen erheblich entgegen stehen.

Bsp. Zitat aus Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Südwestthüringen zur 1. Offenlegung zum Teilregionalplan Energie Nordhessen bezüglich ESW_038:

 

„Diese, auf Grund der naturräumlichen Lagebedingungen, einmalige Kulturlandschaft mit internationaler Bedeutung (UNESCO Biosphärenreservat) und somit einem Alleinstellungspotenzial mit besonderem Wert ist bisher nur gering durch raumprägende technische Infrastruktur beziehungsweise Anlagen beeinflusst. Daraus resultiert ein besonderes kulturlandschaftliches Erlebnispotenzial mit einer Relevanz hinsichtlich einer touristischen Wertschöpfung, die es im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung zu erhalten gilt. Es soll eine landschaftsverträgliche, naturbezogene Erholung mit einem auf Ruhe und Entspannung gerichteten Naturerlebnis entwickelt und ausgebaut werden. Das bedeutet, dass sich die Entwicklung des Tourismus an den wertvollen ökologischen Ressourcen dieser Gebiete orientieren und das vorhandene naturräumliche und kulturelle Potenzial in einer Weise nutzen, die Belastungen für Natur und Kulturraum möglichst vermeiden. Deshalb wird die Rhön intensiv mit gesundheitsbezogenen, wellness-orientierten Angeboten und die intakte Natur beworben.“

„Der besondere Charakter dieser durch traditionelle Nutzungen geprägten Kulturlandschaft, der sich zum Beispiel im Werbeslogan „Land der offenen Ferne“ widerspiegelt, würde sich angesichts der Dimensionen moderner Windenergieanlagen erheblich verändern. Es entstünde ein neuer Charakter der Landschaft, der mit den Attributen wie „gewachsenen“, „traditionell“, „ idyllisch“ usw. kaum noch beschrieben werden könnte.“

Durch die Installation von Windenergieanlagen, direkt angrenzend an diesen Raum, würde das intakte Landschaftsbild maßgeblich gestört und damit die naturbezogene Erholungseignung entfallen.

 

 

 6     Widersprüche zum Naturmonument „Grünes Band“

 

Das Biosphärenreservat Rhön erstreckt sich auf die Bundesländer Thüringen, Hessen und Bayern. Das markanteste, zentralste und verbindende Naturelement ist das „Grüne Band“. Auf der Internetseite des Thüringer Umweltministerium ist hierzu folgende zu lesen:

„Der Eiserne Vorhang teilte bis zum Jahr 1989 Europa auf einer Länge von über 12.500 Kilometern. Im Schatten dieser Grenze vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer entwickelte sich ein monumentales Naturdenkmal - das Grüne Band Europa. Die ehemalige innerdeutsche Grenze verbindet heute neun Bundesländer. Mit einer Länge von 763 Kilometern hat Thüringen den mit Abstand größten Anteil an den 1.400 Kilometern Grünes Band Deutschland und trägt eine große Verantwortung, das Grüne Band als Mahnmal und Lebensraum zu erhalten.“

„Mit Entscheidung des Landtages vom 9. November 2018 wurde das Grüne Band Thüringen als Nationales Naturmonument (NNM) unter Schutz gestellt. Zahlreiche in ihrem Bestand stark bedrohte oder seltene Tierarten, wie der Schwarzstorch und das Braunkehlchen, haben im Schatten des Kalten Krieges ein bedeutendes Rückzugsgebiet im Grünen Band gefunden. Seltene Pflanzen, die in anderen Teilen Deutschlands kaum noch vorkommen, wie das Helm-Knabenkraut, sind hier zu Hause. Bisher wurden lediglich einzelne Abschnitte des Grünen Bandes als Naturschutzgebiete gesichert oder bieten einen vergleichbaren Schutz, etwa durch Natura 2000 Gebiete. Mit der Ausweisung des Grünen Bandes Thüringen als Nationales Naturmonument ist ein einheitlicher Schutz des gesamten Grünen Bandes Thüringen möglich.“

 

Im Regionalplan Südwestthüringen ist unter G 4-3 definiert:

„G 4-3 Der ehemalige Grenzstreifen entlang der Landesgrenze zwischen Thüringen und Hessen bzw. Bayern soll in der Planungsregion Südwestthüringen als durchgängiges Freiraumstrukturelement erhalten bleiben und für den ökologischen Freiraumverbund sowie einen umwelt- und naturverträglichen Tourismus weiter entwickelt werden.

Begründung G 4-3

Der ehemalige Grenzstreifen entlang der früheren so genannten innerdeutschen Grenze ist ein historisches Relikt der deutschen Teilung. Seine Besonderheit, die raumübergreifende Durchgängigkeit als Raumstrukturelement („Grünes Band“), liegt in seiner früheren Funktion begründet. Diese Durchgängigkeit umfasst nicht nur den ehemaligen Grenzverlauf in Deutschland, sondern zieht sich von Norden nach Süden quer durch ganz Europa. Im Gebiet der Planungsregion Südwestthüringen hat es eine Länge von ca. 500 km, das sind 68 % des gesamten Grünen Bandes von Thüringen. Nach dem weitgehenden Rückbau der Grenzsicherungsanlagen und bedingt durch die relative Störungsarmut ist dieses Gebiet zu einem wertvollen Rückzugs- und Regenerationsraum vieler bedrohter Tier- und Pflanzenarten geworden. Gleichzeitig besteht ein Interesse an der ökonomischen In-Wert-Setzung insbesondere durch die Wiederaufnahme der Landbewirtschaftung und die touristische Vermarktung. Dazu wurde bereits eine Vielzahl verschiedenster Initiativen gestartet, die sich gezielt mit der Entwicklung einzelner Abschnitte beschäftigen (z. B. Initiative Rodachtal, Point Alpha, Interregio-Projekt Green Belt) und, die diesen besonderen Charakter des Grünen Bandes als Impuls für die nachhaltige Regionalentwicklung nutzen wollen. Das herausragende Qualitätsmerkmal dieses Gebietes ist sowohl für den Biotopverbund als auch für mögliche freizeitbezogene Nutzungen die Durchgängigkeit, weil unterschiedlichste Räume miteinander vernetzt werden und durch diese Vernetzung Synergieeffekte, verbunden mit einer Wertsteigerung für die jeweiligen Funktionen oder Nutzungen, erzeugt werden können. Die Basis dafür ist, dass der großräumige Verbund als Wesensmerkmal dieses besonderen Freiraumstrukturelementes erhalten bleibt und die weitere Entwicklung auf eine funktionale Stärkung im Sinne einer regionalen und überregionalen Vernetzung orientiert wird. Eine wichtige Voraussetzung zur Sicherung dieser Entwicklung wurde durch die Übertragung bundeseigener Flächen an den Freistaat Thüringen geschaffen.“

Weiter verweisen wir auf die Ausführungen in entsprechender Fachliteratur oder auf http://www.erlebnisgruenesband.de.

 

Auch die Regionale Planungsgemeinschaft Südwestthüringen bekennt seit Jahrzehnten die Bedeutung des „Grünen Bandes“. Beispielsweise in ihrer Stellungnahme zur 1. Offenlegung zum Teilregionalplan Energie Nordhessen  trifft sie folgende zutreffende Aussage:

„Das Gebiet besitzt eine herausragende multifunktionale Bedeutung für die Erhaltung schutzorientierter Freiraumfunktionen, unter anderem dem Arten- und Biotopenschutz dem Landschaftsbildschutz / Kulturlandschaftserhalt und für die Sicherung wichtiger Waldfunktionen. Das Gebiet entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze ist in Südwestthüringen außerdem Bestandteil des so genannten Grünen Bandes. Aufgrund seiner herausragenden freiraumfunktionalen Bedeutung insbesondere in Verbindung mit den Aspekten des regionalen / überregionalen Freiraum- bzw. Biotopenverbundes und seines touristischen Entwicklungspotenzials wurde es als ein besonders schutzwürdiges Raumstrukturelement gesichert (vergleiche Regionalplan Südwest Thüringen G 4-3). Das grüne Band zählt wegen seiner nationalen und internationalen Bedeutung für den Biotopenverbund zum so genannten nationalen Naturerbe Deutschlands. Dessen Bewahrung und Entwicklung dient insbesondere dem Arten- und Biotopen Schutz, dem Erhalt eines besonderen Naturraums, aber aufgrund seiner historischen Bedeutung auch der Sicherung für den geschichtsorientierten Tourismus und ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe höchsten Ranges. Die hier betroffenen Bereiche des Grünen Bandes gehören zur Stiftung Naturschutz Thüringen und wurden vom Bund an das Land Thüringen mit der oben genannten Aufgabe und Zielstellung übertragen. Die Entwicklung eines Wind Energie Parks in unmittelbarer Nachbarschaft würde diese umfangreichen Bemühungen konterkarieren und relevante raumordnerische Funktionen erheblich beeinträchtigen.“

 

 

 7     Widerspruch zur Touristischen Nutzung – Einschränkungen für die Tourismuswirtschaft

 

Die Rhön nimmt innerhalb der Deutschen Mittelgebirge eine Sonderstellung ein. Das herausragende touristische Markenzeichen der Rhön ist die besondere Weitsicht. Nicht ohne Grund wird seit 100 Jahren mit dem „Land der offenen Fernen“ geworben.

Die Rhön gilt als das charakteristischste Mittelgebirge in Deutschland (Zitat Deutsches Wandermagazin). Neben einmaliger Biodiversität ist es gerade auch das Landschaftsprofil, das die Rhön so wertvoll macht. Die Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat 1991 trägt dieser schützenswerten Einmaligkeit Rechnung.

Die wachsende Bedeutung der Rhön als Erholungsraum im Umfeld urbaner Zentren (Rhein/Main, Nürnberg/Fürth, Thüringer Städte) und die strategische Ausrichtung der Region zum Gesundheitstourismus sind wichtig für die weitere Entwicklung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor für die Region.

 

Eine Störung dieses Profils durch Windkraftanlagen stellt ein erhebliches Problem für die weitere touristische Entwicklung Region dar. Diese Entwicklung war bereits 40 Jahre durch die deutsch-deutsche Teilung eingeschränkt. Insbesondere in Thüringen wurden große Anstrengungen in den letzten 30 Jahren unternommen, in Abstimmung mit verschiedenen Partnern, ressourcenschonenden und naturnahen Tourismus zu entwickeln sowie Konflikte zwischen Naturschutz und neuen Tourismusangeboten zu vermeiden. Dieser Prozess muss weitergeführt werden. Bisherige Anstrengungen, Förderung und Unterstützung dürfen nicht umsonst gewesen sein!

 

Es geht um drohende Landschaftsverschandelung, störenden Schattenwurf und Lärmbelästigungen durch riesige Rotoren in der Nähe von Wohngebieten und touristischen Einrichtungen, gefährlichen Eiswurf im Winter und negative Auswirkungen auf den Artenschutz. In relativ unberührten Regionen wie der Rhön kommt noch ein weiteres Argument hinzu: Windräder als Touristenschreck.

 

Aus einer Studie zur Beeinträchtigung des Tourismus durch Windkraftanlagen vom Verein Deutscher Mittelgebirge e.V. geht hervor: 22 Prozent der Mittelgebirgsurlauber würden sich klar gegen einen Urlaubsort im Mittelgebirge entscheiden, wenn sich dort Windenergieanlagen an Aussichtspunkten oder entlang von Rad- und Wanderwegen befinden. Die Studie belegt, dass eine sorgfältige Abwägung der wirtschaftlichen Auswirkungen jeder einzelnen Standortentscheidung unabdingbar ist. Wenn auch nur ein Viertel der Gäste wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen zu Hause bliebe oder anderswo Erholung suche, sei dies für den Rhön-Tourismus eine Katastrophe.

 

Aus ökologischer Sicht besitzt das Biosphärenreservat Rhön eine bundes- und europaweite Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität. In ähnlichem Maße

bedeutsam ist das Gebiet mit einem einzigartigen Landschaftsbild, welches als „Land der

offenen Fernen“ zusammen mit der biologischen Vielfalt die Grundlage für eine maßgebliche Wertschöpfung durch Erholung und Tourismus bildet. Windkraftanlagen und Windparks verändern in starkem Maße die visuelle, aber auch die

akustische Wahrnehmung des Landschaftsbildes.

 

Mit der Errichtung von Windkraftanlagen im Thüringer Teil des Biosphärenreservates Rhön  würden unmittelbar negative Auswirkungen auf eine zukünftige touristische Entwicklung entstehen.

Als ländlich strukturschwacher Raum gibt es bereits erhebliche Benachteiligungen gegenüber urbanen Gebieten (geringere Verdienstmöglichkeiten, Defizite bei der Daseinsvorsorge – von fehlenden ÖPNV-Anbindungen bis zur ärztliche Versorgung). Jetzt besteht die Chance, die Rhön als nachhaltige Modellregion zu entwickeln – einen einmaligen Naturraum zu erhalten, entsprechende Besucherlenkung zu entwickeln (ein erstes Konzept wurde bereits gefördert), Gesundheitstourismus zu etablieren, neue Mobilitätsformen zu testen und für den ländlichen Raum alternative und autarke Energiegewinnung zu entwickeln -  ohne Windkraftindustrie! Dazu gehören leistungsfähigere Biogasanlagen, Erdwärmenutzung bei Neu- und Umbauten, Solarenergie – insbesondere in Verbindung mit bereits vorhandenen Infrastrukturanlagen. Ebenfalls sind geologischen Voraussetzungen zu prüfen. Salz- und Solelagerstätten bzw. überirdische Bergbauhalden der Kaliindustrie können durchaus zu neuen Möglichkeiten in der Energiespeicherung führen.

 

Weitere Vorhaben, sowohl kommunal-touristisch als auch naturschutzfachlich, die aktuell in Verbindung mit dem Grünen Band gefördert werden z. B. im Rahmen des Nachhaltigkeitsbudgets für das UNESCO-Biosphärenreservat, stehen im Widerspruch zur Zulassung des künftigen Baus von Windkraftanlagen.

 

Im Thüringer Teil der Rhön gibt es bereits ausbaufähige und innovative Angebote für den Gesundheitstourismus sowohl im Bereich Rekonvaleszenz bei Atemwegserkrankungen, aber auch bei psychischen Belastungen und Erkrankungen einschließlich der Auswirkungen von Long-Covid. Innovativ sind z. B. die in Dermbach entwickelten Labore für hyperbare Sauerstofftherapie.

 

In den Randlagen des Thüringer Teils des Biosphärenreservates Rhön befinden sich seit vielen Jahrzehnten die deutschlandweit bekannten Kurangebote der Stadt Stadtlengsfeld (psychosomatische, psychiatrische und psychotherapeutische Rehabilitation) sowie der Kreis- und Kurstadt Bad Salzungen (Rehabilitation von Atemwegserkrankungen sowie weiterer verschiedener Krankheitsbilder).

Die umliegende Region, die zu den Gebieten mit dem Status des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön gehört, hat enorme Bedeutung für den Erholungs- und Rekonvaleszenzeffekt von Kurgäste aber auch für die touristischen Gäste der Rhön und des Werratales und als Naherholungsgebiete für die Bevölkerung (Wandern, Radfahren, Wassersport). Dazu kommt der zur Rhön gehörende Flugsport (Kleinflugzeuge, Segelflugzeuge, Ballons, Modellflugzeuge, Drohnen).

 

Das Landschaftsbild und Markenzeichen „Offene Sichten“ der Rhön würde durch diese „Monster“-Windräder erheblich beeinträchtigt.

Einmalige Fernsichten, z.B. vom Gläserberg bei Dermbach, Umpfen bei Kaltennordheim, Neuberg zwischen Dermbach und Wiesenthal etc. bis zum Thüringer Wald (Blickpanorama von Eisenach bis Suhl) wären durch das Aufstellen von Windkraftanlagen in Kammlagen beeinträchtigt. Auf markanten erwanderbaren Höhenpunkten der Vorderrhönberge wie Bayer, Horn, Pless, Stoffelskuppe etc. (Abstand zum Gebiet >5km<10km) werden die weiträumigen Blickbeziehungen erheblich gestört.

Unbedingt zu erwähnen ist auch die Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha als der wichtigste touristische Hotspot innerhalb der thüringischen Rhön, welcher bereits seit Jahren den Titel „Europäisches Kulturerbe“ trägt. Hier hätte der Bau von Windkraftanlagen in dessen direkten und mittleren Umfeld gravierende Auswirkungen.

Auch in der Nacht gäbe es Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen. Die Anforderungen des bereits erwähnten Sternenparks Rhön würden ebenfalls negiert. Das wichtige neue touristische Angebot – eine große Zahl von neuen Sternenparkführern wurden erst kürzlich in Zusammenarbeit mit der Thüringer Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön ausgebildet – würde die Qualität verlieren.

 

Der Rhönklub - der länderübergreifende Heimat- und Wanderverein in Bayern, Hessen und Thüringen mit mehr als 20.000 Mitgliedern spricht sich ebenfalls gegen den Bau von Windkraftanlagen im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön aus.

Fuldaer Zeitung - 10.06.2022: „Aber Windräder bedeuten immer auch ein Einschnitt in die Natur“, betont deshalb auch Jürgen Reinhardt als Präsident des Rhönklubs, der insgesamt 20.100 Mitglieder in der hessischen, bayerischen und thüringischen Rhön zählt. Windräder in der Rhön sind für Reinhardt an den meisten Standorten unvorstellbar.

„So ein Windrad steht auf einem riesigen Fundament.“

 

Ebenfalls gibt es vom Rhön Natur e. V. Folgende Einschätzung zum Thema Windkraft:

„Gemäß Kriterien der UNESCO sollen Biosphärenreservate als Modellregionen der Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch entwickelt werden. werden. Aus ökologischer Sicht besitzt das Biosphärenreservat Rhön eine bundes- und teilweise europaweite Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität. In ähnlichem Maße bedeutsam ist das Gebiet mit einem einzigartigen Landschaftsbild, welches als „Land der offenen Fernen“ zusammen mit der biologischen Vielfalt die Grundlage für eine maßgebliche Wertschöpfung durch Erholung und Tourismus bildet. Windkraftanlagen und Windparks verändern in starkem Maße die visuelle, aber auch die akustische Wahrnehmung des Landschaftsbildes. Fachlich geboten ist ein vollständiger Verzicht auf Windkraftanlagen (ggf. mit Ausnahme von Kleinanlagen < 10 m Höhe) innerhalb des gesamten Biosphärenreservats. Damit würde die biologische Vielfalt der Rhön ebenso wie ihr einzigartiges Landschaftsbild wirklich großflächig erhalten und mittelfristig infolge des bundesweit starken Ausbaus der Windkraft ein besonderes Alleinstellungsmerkmal für die touristische Entwicklung geschaffen.“

 

Bundesweit betrachtet, gerade mit Blick auf die Zielsetzungen der Bundesregierung zum deutlich verstärkten Ausbau von Windenergieanlagen, ist es raumordnerisch zwingend notwendig, auch weiterhin naturnahe Rückzugsräume für Menschen und Tierwelt zu erhalten. Hierzu zählt im besonderem Maße das Biosphärenreservat Rhön mit seiner geringen baulichen Verdichtung, seiner hohen  Biodiversität und seinem hohem touristischen Wert. Deshalb wird das Biosphärenreservats seit Jahrzehnten in der landes- und bundesweiten Regionalplanung als Vorbehaltsgebiet „Tourismus und Erholung“ sowie als Vorbehaltsgebiet „Freiraumsicherung“ mit „besondere freiraum- bzw. naturbezogene Erholungseignung, insbesondere durch ein intaktes Landschaftsbild, ausgewiesen.

 

Die Touristische Nutzung und die Touristischen Angebote der Rhön sind sehr stark auf die Leitthemen „Land der offenen Fernen“, naturnaher Tourismus, „Grünes Band“, „Grenzerlebnis innerdeutsche Grenze“ und seit einigen Jahren auch auf das Thema „Sternenpark“ fokussiert. Käme es zu Bau von Windkraftanlagen sind hier erhebliche Einbußen im Touristischen Bereich zu erwarten.

 

 

 8     Widerspruch zu vorhandenen Einschränkungen der Bevölkerung und damit Gefahr des Akzeptanzverlustes

 

Das Leben im Biosphärenreservat ist, auch in der Entwicklungszone, mit spezifischen, teils erheblichen Einschränkungen verbunden, die dem Schutz der Naturgüter und der Landschaft dienen. Diese Einschränkungen spiegeln sich einerseits in den Verboten des § 3 Abs. 1 wider und werden für die, mit dem Entwurf zu erweiternde Pflegezone durch Abs. 2 noch verstärkt. Andererseits entstehen in der Rechtspraxis auch über den Wortlaut der Verordnung hinausgehende Einschränkungen. Regelmäßig müssen z.B. in Bebauungsplänen Höhenbegrenzungen für Gebäude festgeschrieben werden. Flächenversieglungen sind aufgrund des Schutzinteresses erheblich erschwert. Neuerschließungen von Baugebieten oder Gewerbeflächen sind kaum bzw. nur unter erheblichen Einschränkungen und bürokratischen sowie finanziellen Mehraufwendungen möglich. Selbiges gilt auch für den Bau oder Erweiterung von Straßen und Wegen. Selbst der Bau von Radwegen mit befestigter Oberfläche ist mittlerweile nahezu unmöglich. Die Ernennung zum Sternenpark geht mit Einschränkungen im Einsatz von Außenbeleuchtung einher. Es ließen sich viele weitere Beispiele aufzeigen, wie die Schutzziele des Biosphärenreservats das Handeln der Bürger vor Ort einschränken.

Angesichts dieser Einschränkungen ist die Errichtung von über 250 Metern hohen Industrieanlagen, die mit erheblichen Flächenversiegelung einhergehen der Bevölkerung nicht vermittelbar. Insofern hier eine Ausnahme von den Verboten des § 3 geschaffen werden soll, ist zu bedenken, dass die Errichtung einer WKA eine Ausnahme von nicht einem, sondern gleich vier der sieben Verbotstatbestände von § 3 Abs. 1 erfordern würde. WKA benötigen eine befestigte Zuwegung (entgegen Nr. 1), stellen eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage außerhalb des 40m Umfeldes von bebauten Ortslagen da (entgegen Nr. 2), sie erfordern eine Leitung zum „Abtransport“ des erzeugten Stroms (entgegen Nr. 3) und unterbrechen Dauergrünland-Freiflächen (entgegen Nr. 6).

Kein privater Bauantrag, der in diesem Maß den Verboten zuwiderläuft, hätte jemals Aussicht auf Erfolg. Nimmt man die unter 3.1 und 3.2 beschriebenen Widersprüche zum Natur- und Artenschutz, sowie dem touristischen Wert und der Erholungswirkung hinzu, ergibt sich ein Maß an Widersprüchlichkeit, welches irreparabel  Schaden am Verständnis staatlicher Entscheidungsprozesse erzeugen wird. Angesichts der schwindenden Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber staatlichem Handeln, ist ein solches Vorgehen aus Sicht der regionalen Akteure nicht akzeptabel.  Vielmehr muss es darum gehen, Vertrauen in die staatliche Ordnung zurückzugewinnen. Dies kann nicht erreicht werden, wenn die Errichtung entsprechender Anlagen entgegen der gesamten Rechtspraxis einer Region erfolgt und die Bauwerke mit massiven Sondergenehmigungen in einer für die Region wesensfremden Kubatur realisiert werden.

Es muss verstanden werden, dass es hier nicht um eine grundsätzliche Ablehnung von regenerativer Energieerzeugung geht, sondern um eine Ablehnung von 250 Meter hohen Industrieanlagen, die eine Genehmigung erhalten, während private Bauanträge mit deutlich geringerem Natur- und Landschaftseingriff mit Verweis auf den Schutz des Biosphärenreservates abgelehnt werden. Dies reduziert nicht nur die Akzeptanz von WKA, sondern kann im schlimmsten Fall zu einer Reduzierung der Akzeptanz der sonstigen Einschränkungen führen.

Im Sinne von Mensch und Biosphäre, dem Kernelement und Titel des UNESCO-Programms sollte vermieden werden, die Akzeptanz der Biosphärenschutzmaßnahmen in der Bevölkerung zu unterminieren, indem die für den Bürger geltenden Einschränkungen für den Bau von WKA in erheblichem Umfang übergangen werden.

 

 9     Widerspruch zum Sternenpark Rhön

 

Die Errichtung von Windkraftanlagen steht im eklatanten Widerspruch zu den Zielen des Sternenpark Rhön. Den Autoren des neuen Entwurfes der Biosphärenreservatsverordnung scheint es nicht bekannt zu sein, dass das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen im August 2014 von der International Dark-Sky Association (IDA) auf Antrag der ARGE Rhön als Internationaler Sternenpark anerkannt worden ist. Der Titel Sternenpark wird durch die International Dark Sky Association (IDA) an Gebiete mit einer besonders schützenswerten und nahezu natürlichen Nachtlandschaft verliehen. Mit der Auszeichnung hat sich die Region die Reduzierung von Lichtverschmutzung zur Aufgabe gemacht. Ziel ist es, durch eine umweltverträglichere und optimierte Beleuchtung die natürliche Nachtlandschaft zu bewahren und Lichtverschmutzung zu reduzieren. Die Kommunen, die sich zur Teilhabe am Sternenpark entschieden haben, setzen hierfür gezielt Maßnahmen um. Wie bekannt ist sind WKA, jedenfalls ab einer gewissen Höhe, pflichtig mit leistungsstarken und weit sichtbaren Lichtsignal-Blinkanlagen zu versehen, welche die ganze Nacht starke Lichtimpulse versenden. Gemäß den Zielen des Sternenparks wird versucht selbst innerhalb geschlossener Ortshaften Lichtverschmutzung zu reduzieren. Die Errichtung von Industrieanlagen mit Dauerblinklicht / Dauerlichtverschmutzung außerhalb geschlossener Ortschaften ist mit den Zielen des Sternenparks und den damit verbundenen Naturschutzzielen in keinster Weise vereinbar.

 

 10 Monetäre Risiken bezüglich Fördermittelrückzahlungen an die Europäische Union

 

Die Öffnung des Gebiets für den Bau von WKA hätte deutliche Auswirkungen auf bisherige Artenschutzprojekte, die in Summe mit Millionenbeträgen aus dem Haushalt der Europäischen Union gefördert wurden. Entsprechend der Förderbedingungen ist festgelegt, dass der durch die geförderten Projekte erreichte Verbesserungszustand u a. in Bezug auf Artenschutz, auch zukünftig erhalten bleiben muss. Dazu ist der Fördermittelempfänger verpflichtet.

Dabei sieht die Fördersystematik Strafzahlungen und  Rückforderungen vor, wenn es durch bewusste  Fehlhandlungen oder auch durch Unterlassung seitens des Fördermittelempfängers zu einer Verschlechterung des erreichten Zustandes kommt.

Die Prüfung von gesetzlichen Verfahren und deren Folgeabschätzung obliegt dem verantwortlichen Ministerium und der verantwortlichen Ministerin.

Da sich die Förderungen der Europäischen Union in der Gebietskulisse des Biosphärenreservates Rhön auch die Bundesländer Thüringen, Hessen und Bayern beziehen, ist bei der notwendigen Prüfung bzw. Folgenabschätzung auch hierauf Bezug zu nehmen.

Es besteht ein sehr reales Risiko, dass der Freistaat  Thüringen im Falle einer Prüfung durch die EU, Millionenbeträge für nach Thüringen, Bayern und Hessen geflossene Fördermittel z. B. für den Artenschutz im Biosphärenreservat Rhön zurückzahlen muss, weil durch die vom Thüringer Ministerium geplante Aufhebung des Bauverbotes von Windkraftanlagen mit Sicherheit eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes gleich mehrerer streng geschützter und vom Aussterben bedrohter Arten eintreten wird.

 

 

 11 Monetäre Risiken bezüglich Schadensersatzforderungen

 

Die Touristische Nutzung und die Touristischen Angebote der Rhön sind sehr stark auf die Leitthemen „Land der offenen Fernen“, „Naturnaher Tourismus“, „Grünes Band“, „Grenzerlebnis innerdeutsche Grenze“ und seit einigen Jahren auch auf das Thema „Sternenpark“ fokussiert. Die gesamte Tourismusbranche hat ihre Investition hierauf ausgerichtet. Ein wesentliches Entscheidungsmerkmal bei Investition ist das Vertrauen in das Handeln der Regierung. Seit Jahrzehnten hat sich auch die Landeregierung zu diesen Themen bekannt und diese Themen vorangetrieben. Es besteht Vertrauensschutz! Würde die Regierung von ihrem bisherigen Handeln abweichen und nun völlig konträr handeln, indem sie das Biosphärenreservat Rhön für Windkraftanlagen öffnet, käme es zu erhebliche Einbußen im Touristischen Bereich, für welche Haftungsanspruch gegenüber dem Land bestehen würde.

 

Darüber hinaus restriktiert die Landesregierung , dass es zur Aberkennung von Titeln wie „Biosphärenreservat“, „Sternenpark“ oder „Europäisches Kulturerbe“ kommt. Auch hierbei würde eine mögliche finanzielle Haftung in der Verantwortung der Ministerin, beim zuständigen Ministerium bzw. beim Freistaat Thüringen liegen.

 

 

 12 Änderung zu §3, §4 in Bezug auf Windkraftanlagen

 

Im Ergebnis erwarten wir, dass das Ministerium auf die Ausnahmeregelung in § 4 Abs.1 Nr. 6 verzichtet (keine Ausnahmeregelungen für Windkraftanlagen) und dafür zusätzlich in § 3 Abs.1 bei den Verboten in Entwicklungszonen und in § 3 Abs.2 bei den Verboten in Pflegezonen je einen weiteren Punkt einführt, welcher neben den vielen andern Verboten auch explizit das Verbot von Windkraftanlagen innerhalb der Gebietskulisse des Biosphärenreservates Rhön benennt. Die derzeitige Formulierung steht diametral zu den naturschutzrechtlichen Schutzzwecken, den Zielen des Biosphärenreservats und der Akzeptanz der Bevölkerung. Die Errichtung von WKA im herkömmlichen Sinne gefährdet das Biosphärenreservat in seiner Existenz und muss daher bereits im Grundsatz untersagt bleiben.

 

Vielmehr wäre es sogar notwendig, um das Biosphärenreservat zusätzlich eine Pufferzone zu von mindestens 10km auszuweisen, in welcher die Errichtung von industriellen Windkraftanlagen ebenfalls untersagt ist.

 

 

 13  Änderungen zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.v.m. mit § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Nach dem Wortlaut umfasst das in § 3 Abs. 1 Nr. 1 formulierte Verbot auch den Bau von Radwegen. Eine Realisierung wäre nur über die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 möglich. Diese steht jedoch unter dem Genehmigungsvorbehalt der Unteren Naturschutzbehörden.

Der Bau von Radwegen sollte aus Gründen des Umweltschutzes erleichtert, nicht mit unangemessenen Festlegungen erschwert werden. Gerade Vorhaben, die den Alltagsverkehr vom Auto auf das Rad und in den ÖPNV bringen und damit maßgeblich zur CO² Einsparung beitragen, sollten im Sinne der Zielverwirklichung des Biosphärenreservats eine hohe Bedeutung einnehmen. Insbesondere verweisen wir auf die Ziele des § 2 Abs. 2 Nummern 2 und 3 sowie die Verwirklichungsansätze des § 2 Abs. 3, Nummern 2, 5 und 7.

Beispielsweise könnte ein Verbindungsradweg zwischen dem Ulstertalradweg und dem Feldatalradweg eine für den Alltagsverkehr attraktive Anbindung schaffen. Ulstertal und Feldatal sind bislang für Radfahren nur über das Werratal miteinander verbunden und auch der ÖPNV ist nicht über die hessische Landesgrenze hinaus angebunden. Mit einem gut ausgebauten Radwegenetz kann man diese letzte Meile schließen und damit das vorhandene große Potential für einen umweltfreundlichen Verkehr erschließen. Zahlreiche Signale und Wortbeiträge zeigen die hohe Nachfrage, auch durch Berufspendler nach Hessen, die den ÖPNV auf der Trasse Tann-Fulda erreichen wollen und derzeit keine Alternative zum Auto haben. Daneben sind auch vorhandene Lücken im Feldatalradweg zu schließen, auch diese Vorhaben lassen sich sinnstiftend nur in Asphaltbauweise – in der auch der gesamte übrige Radweg bereits gebaut ist, realisieren.

Ebenso scheitert eine Verbindung zwischen dem Ulstertalradweg und dem Hessischen Radewegenetz zwischen Geisa und Rasdorf, inklusive der Einbindung der zum Europäischen Kulturerbe zählenden Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha an den vorliegenden Restriktionen.

Weitere Beispiele in der Region sind zu prüfen, denn Radwege schaffen sowohl touristischen Nutzwert (Ziel § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.v.m. Abs. 3 Nr. 7) als auch Mehrwert für die pendelnde Wohnbevölkerung (Ziel § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.v.m. Abs. 3 Nummern 2 und 5).

Als Lösung schlagen wir vor, den in § 5 Abs. 1 Nr. 2 fixierten Genehmigungsvorbehalt aufzuheben oder mindestens nicht für Radwege zur Anwendung zu bringen. Vielmehr sollte für Radwege ein spezieller Tatbestand erfasst und mit einer, ihrer Relevanz für den Umweltschutz angemessenen, Privilegierung versehen werden.

Zusätzliche Kosten für alternative Bauweisen, die Wasserdurchlässigkeit mit der für Lagen mit Gefälle notwendigen Stabilität verbinden, sollten zudem in den Radwegförderprogrammen Beachtung finden. Andernfalls droht gerade im Biosphärenreservat als Pilotregion für gemeinsame Entwicklung für Mensch und Natur der Radwegebau, aufgrund der höheren Kosten im Vergleich zum Gebiet außerhalb des Reservates, ausgebremst zu werden.

 

 

 14 Änderungen zu Kernzonen in § 3 Abs. 3 i.v.m. § 4 Abs. 3

 

Die Auflistung der Verbote enthält auch das Verbot von Schutzmaßnahmen. Gerade angesichts der großen Herausforderungen, von denen unsere Wälder angesichts des Klimawandels stehen, ist zu hinterfragen inwieweit ein vollständiger Verzicht auf Schutz- und Anpassungsmaßnahmen sinnvoll ist. Gerade die zunehmenden Phasen langanhaltender Trockenheit sind mit einer Steigerung der Waldbrandgefahr verbunden. Die Walbrandbekämpfung beginnt dabei nicht erst nach Ausbruch eines Feuers, vielmehr sollte die präventive Waldbrandvermeidung stärker in den Fokus rücken. § 4 Abs. 3 Nr. 7 kann als Erlaubnis auch für diese Maßnahmen gesehen werden. Angesichts der Bedeutung des Themas empfiehlt sich jedoch die explizite Erwähnung von Maßnahmen der Waldbrandvermeidung in den Ausnahmen des § 4 Abs. 3.

Insofern die Absicht besteht, in der Kernzone Waldbrände als Teil des natürlichen Prozesses zuzulassen und auf die Selbstheilungskräfte des Waldes zu setzen, erlauben wir uns auf folgendes hinzuweisen: Weltweit haben nur etwa vier Prozent aller Waldbrände natürliche Ursachen wie beispielsweise Blitzeinschlag. In allen anderen Fällen ist der Mensch – sei es direkt oder indirekt, sei es fahrlässig oder vorsätzlich – verantwortlich für den Brand. Oft kann sich der Wald nicht mehr selbstständig von den Folgen des Brandes erholen. Die Kernzone wird dabei auch nicht durch die umfangreichen Betretungsverbote hinreichend vor menschenverursachten Waldbränden geschützt, da diese auch aus den anderen Zonen überspringen können. Im Sinne einer eindeutigen Rechtslage sollten deshalb jedenfalls für die Pflegezone in § 4 Abs. 2 und bestenfalls auch für die Kernzone in § 4 Abs. 3 Ausnahme für Waldbrandvermeidung und Bekämpfung etabliert werden.

 

 

 15 Änderungen zu Ausnahmeregelungen in § 4 Abs. 1 Nr. 5

 

Es ist sinnvoll und richtig das Thema Deponien dezidiert aufzugreifen, denn in sehr vielen Orten der Region sind alte Deponien vorhandenen und deren Zukunft oft völlig offen. Gerade deshalb sollte neben Rekultivierung und Nachsorge aber auch das Thema Nutzung eine explizite Erwähnung finden. Insbesondere regen wir an, die privilegierte Öffnung von Altdeponien für Solarenergieanlagen zu bedenken. Eine solche Nutzung ist erstens konfliktärmer als die landwirtschaftliche Nutzung (Vorbehalte gegen verbliebene Bodenbelastung) oder Nutzung als Bauland (Vorbehalte bezüglich der Bodenqualität). Zweitens könnte, dass mit der Solarenergiegewinnung verbundene Gewinnpotential Motivation zur schnellen Rekultivierung erzeugen. Diese Kombination würde somit unmittelbar den Zielvorgaben des § 2 Abs. 2 Nummern 1 und 2 i.v.m. Abs. 3 Nummern 2 und 4 entsprechen.

Wir schlagen dazu vor, die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 7 zur Solarenergie aufzugreifen und das Thema Deponien gesondert zu behandeln. Entweder über eine Erwähnung als besonders privilegiert oder indem der Tatbestand „Errichtung von Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie auf stillgelegten Deponien“ unmittelbar in die Ausnahmetatbestände des § 4 aufgenommen wird.

 

 

 16 Ausgleich erhöhter Aufwendungen und geringerer Einnahmen aufgrund eingeschränkter wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten in der Konsequenz der §§ 3 bis 6

 

Zahlreiche Verbote schränken die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung der Orte im Biosphärenreservat ein. Dies zeigt sich an der Steuerkraft der Kommunen im Biosphärenreservat Rhön. Obwohl die Landkreis Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis zu den wirtschaftlich stärksten Regionen in Thüringen gehören, ist die Steuerkraft der Kommunen, die in ihrem Hauptteil im Biosphärenreservat liegen erheblich unter dem Landesdurchschnitt. Betrachtet wurde die Ergebnisse des Jahren 2021, wobei die Gemeinden Vacha, Unterbreizbach, Schwallungen, Wasungen und Meiningen nicht einbezogen wurden, da deren Siedlungs- und Wirtschaftsschwerpunkte außerhalb des Biosphärenreservates liegen und eine Betroffenheit nur hinsichtlich 1 bis 3 kleinere Ortsteilen besteht. Während die durchschnittliche Steuerkraft pro Einwohner in Thüringer Kommunen 2021 bei 798,88 € lag, betrug diese in den Kommunen im Biosphärenreservat Rhön nur 671,25 €. Auch die individuelle Verteilung dieser Steuereinnahmen bestätigt dieses Bild. So gehören lediglich 3 Kommunen zu den Top 100. 2 Kommunen sind unter den Plätzen 101-200 und 1 Kommune unter den Plätzen 301 bis 400 zu finden. 2/3 der Kommunen in Summe 11 befinden sich auf den Plätze 443 bis 627 von 633 Kommunen.

Der Freistaat Thüringen ist verfassungsrechtlich verpflichtet, gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu schaffen. Im Jahr 2021 wurde beispielsweise ein Sonderlastenausgleich für Thüringer Kommunen geschaffen, die staatlich anerkannte Erholungsorte sind. Eine Benachteiligung aus diesem Status heraus ist weder zu erkennen noch steuerlich belegt, denn deren durchschnittliche Steuerkraft pro Einwohner lag bei 798,60 € und somit gerade einmal um 0,28 € unter dem Landesdurchschnitt. Die Kommunen im Biosphärenreservat liegen jedoch mit 127,63 € unter dem Landesdurchschnitt und tragen mit ihrem besonderen Status und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Einschränkung dazu bei, dass der Freistaat Thüringen und die Bundesrepublik Deutschland ihre Klima- und Umweltziele erfüllen, zu denen man sich verpflichtet hat. Wir fordern darum, den wirtschaftlichen Nachteil durch die Einführung eines Sonderlastenausgleichs für die Gemeinden im Biosphärenreservat Rhön in Höhe von 4.017.000 € durch den Freistaat Thüringen auszugleichen. Verteilungsmaßstab auf die Gemeinden sollen die Einwohner sein, die im Biosphärenreservat leben.

 

Da wo Genehmigungen (§5) oder Befreiungen (§6) notwendig sind, darf nicht verkannt werden, dass die Erlangung einer Erlaubnis mit erheblichem administrativen (Anträge, Verfahren) und finanziellen (Personalkosten, Gutachten, Prüfungen) Aufwand verbunden sind. Kommunen außerhalb des Biosphärenreservates können identische Projekte ohne diese Auflagen und somit ohne diese zusätzlichen Belastungen durchführen. Eine ausgleichende Anzahl an Privilegierungen und Erleichterungen bei Verfahren im Vergleich zu Kommunen außerhalb des Biosphärenreservates enthält die Verordnung jedoch bislang nicht. Werden Projekte durch Vorgaben des Freistaates verteuert, so können die Kommunen nicht mit diesen Zusatzkosten alleine gelassen werden. Dies stünde dem Anspruch der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse entgegen. Zusätzliche Lasten ohne zusätzliche Vorteile führen unweigerlich zu einer Ungleichbehandlung.

 

Insofern fordern wir zum Ausgleich des Verwaltungsmehraufwandes für die Kommunalverwaltungen im Biosphärenreservat eine Sonderzuweisung von 20 € pro Einwohner analog zum Mehrbelastungsausgleich. In Summe wären dies ca. 630.000 €.

 

Alternativ wären in signifikanter Mengen bürokratische Erleichterungen in die Verordnung aufzunehmen, die den bürokratischen Mehraufwand auf diese Weise ausgleichen. Eine Modelregion muss man auch nicht zwingend dahin entwickeln, dass man die Bürokratie in ihr erhöht. In Zeiten, in denen der nationale Normenkontrollrat bereits eine Überbürokratisierung in Deutschland festgestellt hat, wäre es eher ein modellhafter Ansatz, zu schauen, inwieweit weniger Bürokratie zu einer nachhaltigeren Entwicklung beiträgt. Die Schaffung eines Nachhaltigkeitsbudgets für investive Projekte ist löblich, gleicht jedoch keine wirtschaftlichen Nachteile aufgrund der Entwicklungshemmnisse aus. Das Nachhaltigkeitsbudget ist so gekennzeichnet, dass vorrangig naturschutzfachliche Vorhaben gefördert werden. Derartige Projekte sind daher nicht dazu geeignet die wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Gemeinden auszugleichen, sondern dienen lediglich dem naturschutzfachlichen Anspruch.

 

Bereits seit Jahren besteht die Forderung von Städten und Gemeinden, dass durch das Biosphärenreservat bedingte Entwicklungshemmnisse auch durch besondere Landesförderungen ausgeglichen werden müssen. Seit Jahren wurden Sonderprogramme für den beschleunigten Ausbau des Glasfasernetzes und der Kommunikationsinfrastruktur gefordert. „Wenn wir im Biosphärenreservat schon auf den Ausbau vernünftiger und leistungsfähiger Verkehrsinfrastruktur verzichten müssen, dann wollen wir wenigstens einen direkten Anschluss an die Datenautobahn.“ Aber auch die Schaffung von wohnortnahen Arbeitsplätzen muss möglich sein. Hierbei steht auch das Land in der Pflicht zum Beispiel bei der Förderung von Gewerbeflächen welche sich in das Landschaftsbild einfügen und bei der Ansiedlung von Gewerbe sowie bei der Bestandserhaltung. Selbiges gilt für ein beschleunigtes Programm zum Anschluss an zentrale Kläranlagen. „Wir können es den Menschen nicht erklären, dass sie ihren Wald nicht mehr richtig bewirtschaften dürfen oder ihnen die Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Flächen in Gewässernähe nach fachlichen Grundsätzen untersagt ist, andererseits aber die Abwässer vielerorts noch ungeklärt in die Gewässer eingeleitet werden.   

 

Wir fordern die Landesregierung dazu auf, endlich für gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen großen Städten und dem ländlichen Raum zu sorgen. Bisher und noch verstärkter in den letzten Jahren hat sich dieses Verhältnis massiv zum Nachteil des ländlichen Raums verkehrt. Im Besonderen müssen die im Biosphärenreservat durch Einschränkungen bedingten Nachteile ausgleichen werden. Mit dieser Stellungnahme geben wir der Landesregierung konkrete Vorschläge wie dies erfolgen kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Martin Henkel (MdL)

Bürgermeister a. D.

Vorsitzender Rhönforum e. V.